„Don’t be evil“ war bis 20181 ein Teil von Google’s Code of Conduct. Die damalige Version des Verhaltenskodex liest sich ganz im Sinne des Dienstes am User „Yes, it’s about providing our users unbiased access to information, focusing on their needs and giving them the best products and services that we can …“ (der volle Text siehe hier2).
Ob sich Google immer noch an diesen Conduct hält, kann jeder gerne selbst beurteilen. Das US-Justizministerium hatte unter anderem 2020 schonmal Zweifel und wirft Google vor3 die Suchergebnisse zugunsten von höheren Werbe-Profiten zu manipulieren. In dem Zusammenhang wurden (wie üblich in solchen Gerichtsverfahren) alle möglichen Emails und andere Schriftstücke sichergestellt, u.a. auch eine Email von Jerry Dischler (Sales-Team) an Anil Sabherwal (Chrome-Team), in dem Jerry fordert, ein Chrome-Feature-Rollout rückgängig zu machen, da es den Google-Search-Umsatz negativ beeinflusst4 (hier wurde also nicht aus der Perspektive der User gesprochen, sondern aus der Perspektive der Umsatzmaximierung).
Ich nenne es evil UX, es gibt allerdings auch schon den verwandten Begriff Dark-Patterns.
Hier noch weitere zwei Beispiele:
Amazon Music
Als Amazon Prime Kunde habe ich auch Zugang zu Amazon Music. Im November 20225 hat Amazon Music die Art verändert, wie man Playlists bedient. Während es vorher möglich war die Titel der Playlist anzuhören (ja, man sollte meinen da gibt es nichts dran zu rütteln), wurde dieser „On Demand“ – Zugriff abgestellt und stattdessen wurden zufallsverteilt andere Songs abgespielt, von denen Amazon der Meinung ist, dass diese zu den selbst-kuratierten Songs eine hohe Ähnlichkeit aufweisen. Im Grunde wurde das Konzept einer Playlist in eine Radio-Station umgeändert. Nun konnte ich also meine Titel nicht mehr anhören und hatte auch keine Möglichkeit die zufälligen Titel in irgendeinerweise zu beeinflussen. Immerhin waren mir noch 6 Skips alle 60 Minuten erlaubt, um wenigstens die – für meinen Geschmack übelsten – Titel überspringen zu können. Man glaubt es kaum: selbst gekaufte Titel konnten nicht mehr angehört werden.
Knapp ein Jahr später, Ende September 2023 ließ Amazon Music dann Gnade walten6 und erlaubte eine (1) eigene Playlist als reine On-Demand-Playlist zu definieren (mit maximal 50 Titeln). Möchte man die On-Demand-Funktion auch für die anderen Playlists wiederhaben, muss man nun Amazon Music Unlimited Kunde (5 € pro Monat) werden.
Die Süddeutsche Zeitung und andere Publisher
Noch ein anderes Beispiel schlechter UX: Ich nutze Google News und sehe da häufig interessante Artikel die mich verleiten die jeweilige Webseite aufzusuchen. Dort angekommen muss mich nicht nur mit den „Allow Notification Permission“-Popups rumschlagen (lehne ich immer ab), sondern erhalte auch einen Cookie-Banner auf dem ich meine Einverständniserklärung zum Auslesen und Verwerten meiner Cookie- und Verhaltensdaten – auch mit Dritten – geben „darf“. Stimme ich dann zu, kann ich direkt über die Developer-Tools sehen, dass mehr als 20 Cookies installiert und ausgelesen werden, also denke ich mir, ok, die Plattform bekommt jetzt also meine Daten, und kann ihren Besuchercount hochtreiben (wichtig für die Vergütung von den Werbetreibenden) aber immerhin kann ich jetzt den Artikel lesen, von dem ich bisher nur Überschrift und einen Abstract gesehen habe.
Pustekuchen: gleich nach dem Cookie-Banner erscheint die Paywall die mich einlädt ein Abonnement abzuschließen, ohne das es keinen Zugang zum Artikel gibt.
Hier hätte ich den Verbesserungsvorschlag entweder auf die Paywall direkt in Google News hinzuweisen, oder spätestens auf der Seite VOR dem Auslesen meiner Daten zu erklären, dass das alles ein Trick war, oder – jetzt mal ganz krass – zu erlauben, dass ich einzelne Artikel via Flattr oder Paypal zahlen kann, ohne mich in ein Abonnement zu zwingen.
Zum Inhalt dieses Artikels habe ich am 07.10.23 auf der Unkonf in Mannheim eine gleichnamige Session gehalten. Ich danke dem Organisatoren-Team für ein sehr gelungenes Developer-Barcamp! Dank auch an Fabian Blechschmidt für den Hinweis auf den Google Fall.
Das Titelbild wurde mit dem Freepik-AI-Bildgenerator erstellt mit Prompt „Devil User Experience“.
Fußnoten
- 1 Kate Conger, Google Removes ‚Don’t Be Evil‘ Clause From Its Code of Conduct, gizmodo.com, 18.05.2018.
- 2 Google, Google Code of Conduct, archived by Wayback-Machine, Pre-2018.
- 3 Antitrust Division, U.S. and Plaintiff States v. Google LLC, U.S. Department of Justice, 2020 (ongoing).
- 4 Jerry Dischler to Anil Sabharwal, WaybackMachine, 03.05.2019.
- 5 Chris Welch, For some, Amazon Music’s big Prime expansion comes with big frustrations, Theverge.com, 03.11.2022.
- 6 Update on playlists for Prime-only members, Reddit, 28.09.23.