Ad-Kompagnen sollen Interesse wecken und die Aufmerksamkeit einfangen. Für Lifestyle-Shots werden Produkte deshalb regelrecht „inszeniert“ mit allen zur Verfügung stehenden visuellen und technischen Stilmitteln. Im folgenden Artikel stellen wir Stilmittel anhand von in Magazinen veröffentlichten Werbekampagnen vor.
Licht & Reflektionen
Gorgio Armani in der Gala, März, 2023
Der/die FotografIn kann mit Licht „malen“. Dort wo Licht ist, ist auch Aufmerksamkeit. Gesichter vermitteln in der visuellen Kommunikation Vertrautheit & „Social Proof“. Verständlich daher, dass Gesicht und Produkt gut ausgeleuchtet werden. Unter Nutzung eines Helligkeitsschwellwertes mit Ausblendung von Bereichen unter dem Schwellwert sieht man schnell was im Bild hervorstechen soll.
Mini Cooper in der Cosmopolitan, April, 2023
Der Cabrio-Mini, hochwertig platziert unter fallenden bunten Bällen. Im Hintergrundbild selbst ist kein umlaufender Lichtstreifen sichtbar, jedoch reflektiert sich dieser seitlich auf dem Mini. Dieses Lichtband zeigt nicht nur die glänzende, fehlerfreie Oberfläche des Produkts, sondern vermittelt durch das Auf- und Ab des Bandes auch die Krümmung der Oberfläche, die sonst kaum wahrnehmbar wäre. Wird dieses Lichtband entfernt, erscheint die Oberfläche stumpf.
Hästens in der Elle, April 2023
Obwohl bei Ad-Kampagnen in Magazinen der Lifestyle-Shot üblicher ist, hat sich Hästens für eine CleanCut-Shot Darstellung entschieden, die eigentlich eher auf Shop-Detail- oder Katalogseiten Anwendung findet. In diesem Fall übernimmt die Reflektion des Produkts auf dem Boden die „Erdungsfunktion“, die sonst im meist weiß-verlaufendem CleanCut-Shot dem Schattenwurf obliegt. Reale Objekte sollten mit Schatten oder Bodenreflektion inszeniert werden, da diese sonst im Raum schweben und unnahbar erscheinen. Zusätzlich kann die Reflektion hier Reinheit und Glanz eines edlen Bodens vermitteln. Wird die Reflektion entfernt, scheint der Inszenierung etwas zu fehlen.
Farben
Fendi in der Vogue, März, 2023
Auch Farbkontraste steuern die Aufmerksamkeit des Betrachters. Ein perfektes Beispiel ist die mit sattem grün abgebildete Handtasche, während Hintergrund und Kleidung in entsättigtem Grau von geringerem „Gewicht“ erscheinen. Nur das Gesicht stellt als „Social-Proof“ hier wieder eine Ausnahme dar.
Hermes in der Elle, April, 2023
Auffallende Kontraste zwischen Hintergrund und Vordergrund ergeben sich am leichtesten durch Nutzung von Kontrastfarben (Himmelblau versus Gräser-Sandfarben).
Hintergrund
Georgio Armani in der GQ, #1, 2023
Edelmetalle werden gerne vor dunklem Hintergrund gezeigt, da die Materialoberfläche hauptsächlich über das Glanzlicht wahrgenommen wird und Licht in den meisten Fällen hell ist. Ein dunkler Hintergrund ergibt einen angenehmen Kontrast.
Jochen Pohl in der Vogue, März, 2023
Bei dieser Ad-Kampagne kann die obige Feststellung nicht greifen. Obwohl gerade ein silbrig-grauer Ring vor einem weiß-grauem Hintergrund keine starken Kontraste erzeugen kann, sieht man weiße Hintergründe auch für Silber- und Gold-Edelmetall immer öfter. Meine Vermutung: Weiße Hintergründe transportieren Reinheit, Makellosigkeit und Hochwertigkeit.
Kamera-Fokus
Annemarie Börlind in der Cosmopolitan, April, 2023
Bei sehr geringer Distanz zwischen Kamera und Produkt (genannt Closeup-Shot) kommt man schnell in den Unschärfe-Bereich des Kamera-Objektivs. Dieser lässt sich aber auch kreativ einsetzen, wie dieses Beispiel zeigt. Die Deckung und Farbigkeit von Mascaras wird durch Unschärfe kaum verringert, während Hautunreinheiten, Poren und Falten dezent verschwinden.
Yamazaki, Glenfiddich & Balvenie in der GQ, #1, 2023
Mit Unschärfe lassen sich auch sekundär-hintere Ebenen eindecken, welche zwar durch groben Umriss und Farbe weiterhin präsent sein sollen, den Produkten im Vordergrund jedoch nicht die Show stehlen sollen, wie an diesem Beispiel sichtbar ist.
Perspektive
Guerlain in der Gala, März, 2023
Die Fluchtlinien der Zentralperspektive führen alle zum Produkt, welches im perspektivischem Fluchtpunkt platziert wurde. Die hell-beleuchteten Bienenwaben verstärken den Effekt der Aufmerksamkeitslenkung.
Tena in der Alverde, Februar, 2023
Zum Schluss unserer Stilmittel-Vorstellung möchte ich eine Kampagne von Tena vorstellen. Durch die geringe Marge der niedrigpreisigen Damenbinden können diese verständlicherweise nicht so sorgfältig inszeniert werden, wie die oberen Produkte. Dadurch kommt es hin und wieder mal vor, dass die Anzeigen in sich nicht stimmig sind (was aber außer mir niemanden auffällt, vermute ich). Hier werden vier Produktgebinde nebeneinander dargestellt, so dass die nach hinten laufenden Kartonkanten eigentlich auf einen gemeinsamen zentralen Fluchtpunkt zulaufen müssten. Vermutlich wurde nur einzeln frontal fotografiert und erst im Post-Compositing nebeneinander angeordnet. Um das zu prüfen, habe ich die Szene virtuell nachgebaut und dabei auch gleich den kaputten Horizont (die Horizontlinie links liegt höher als rechts) und den Boden repariert.